Persönlich, echt und informativ. Das ist die Blogpostreihe „Auf einen Kaffee mit...“ des LPRS e.V. Wir tauschen uns mit unseren Alumni über ihren Werdegang nach dem Studium aus. Von Tipps für den Berufseinstieg über Geschichten von gemeisterten Hindernissen und genutzten Chancen bis hin zu Impulsen für eine ausgewogene Work-Life-Balance.
Heute treffen wir Svenja Reinecke. Sie erzählt, welche Rolle Kommunikator:innen im Kulturwandelprozess eines Großkonzerns einnehmen und was sie bereits gerne während ihres Studiums in Leipzig gewusst hätte. Kommt mit auf einen Kaffee mit Svenja Reinecke.

Talking Business
Du bist Gründungsmitglied des Kulturwandel 4.0-Teams der Otto Group. Kannst du einmal erläutern, was es damit auf sich hat?
Zur Otto Group gehören viele verschiedene Konzerngesellschaften und insgesamt rund 35.000 Mitarbeitende. 2014, das Jahr, in dem ich damals zunächst bei otto.de angefangen habe und gleichzeitig das 65. Jubiläumsjahr, war leider kein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr. Die Analysen der Konzernstrategie ergaben, dass die Gründe dafür vor allem in der Unternehmenskultur lagen und die Potenziale, die im Konzern schlummern, noch nicht wirklich gehoben wurden. Insbesondere im internen Austausch über Hierarchien und Standorte hinweg bestand Verbesserungsbedarf. Diese Erkenntnis wurde von den damaligen Vorständen der Otto Group sowie der Gesellschafterfamilie Otto aufgegriffen und das Thema von Grund auf im Rahmen eines übergreifenden Kulturwandelprozesses angegangen. Schon bald wurde deutlich, dass es eine eigene Stabseinheit braucht, die diesen Auftrag eines partizipativen Kulturwandels orchestriert und den Prozess vorantreibt. Zunächst fand sehr viel interne Kommunikation statt, denn es geht um viel mehr als „Wir duzen uns alle“. Im Vordergrund stand die Botschaft, dass Unternehmenskultur tatsächlich businessrelevant ist. Unsere Rolle als Stab war dabei in erster Linie eine Art „Anschubhilfe“, damit das Thema Kultur, das heute eine der tragenden Säulen der Otto Group-Strategie darstellt, anschließend von den jeweiligen Teams eigenständig fortgesetzt wird. Es macht mich stolz zu sehen, dass unsere Arbeit Früchte getragen hat und selbsttragende Strukturen entstanden sind, sodass wir uns zurückziehen und wieder anderen Aufgaben – bei mir ist es die Konzernkommunikation – zuwenden können.
Parallel dazu hat sich 2017 das Kulturwandel-Kollektiv entwickelt, ein konzernübergreifendes Netzwerk, über das wir mit anderen Organisationen im Austausch stehen und in dem wir voneinander und miteinander lernen. Wir sehen das tatsächlich als einen „precompetitive Space“ an: Es geht nicht darum, sich gegenseitig auszuhorchen, sondern um Basics wie Führung, agiles Arbeiten oder Feedbackmethoden, die jede:r mit nach Hause in seine bzw. ihre Organisation mitnehmen kann. Das Besondere ist für mich die Energie, die dabei entsteht, und dass wir selbst Menschen aus im Markt konkurrierenden Unternehmen auf diese Weise zusammenbringen können.
Das Besondere ist für mich die Energie, die dabei entsteht, und dass wir selbst Menschen aus im Markt konkurrierenden Unternehmen auf diese Weise zusammenbringen können.
Was braucht es deiner Meinung nach für einen echten Kulturwandel und welche Rolle spielen Kommunikator:innen dabei?
Ich glaube, das Wichtigste ist der Grund. Es braucht einen Reason Why, warum man sich auf einen so langwierigen, oft auch unbequemen Weg begibt. Letztlich ist es ein Transformationsprozess, der damit einhergeht, jahrelang eingeschliffene Verhaltensmuster und Haltungen aufzubrechen. Das geht mit sehr viel Erklärungsbedarf einher: Was bedeutet „Kulturwandel“ eigentlich und warum machen wir das? Warum ist meine Perspektive als Einzelne:r relevant und wie kann ich diesen Prozess mitgestalten?
Unser Ziel war es, mit Storytelling und Erfahrungsberichten der Mitarbeitenden für gegenseitige Inspiration zu sorgen und das abstrakte Thema Kulturwandel sicht- und greifbar zu machen. Eine der ersten Maßnahmen war eine eigene Plattform im Intranet, in der wir Workhacks gesammelt haben, kleine Tipps für den Alltag, wie man die Zusammenarbeit besser gestalten kann. Jede:r konnte sich daran beteiligen und eigene Ideen einbringen, sodass wir am Schluss über 600 verschiedene Impulse beisammenhatten. Aber auch ein konzernweiter Newsletter mit User-generated-Content und Beispielen der Kolleg:innen, was sie in ihrem Arbeitsalltag verändert haben oder wie sie bereichsübergreifend an einem Strang ziehen, war sehr erfolgreich, um die Mitarbeitenden zu empowern.
Wichtig war, deutlich zu machen: Das mit dem Kulturwandel, das geht jetzt nicht mehr weg, das bleibt.
Außerdem hat das Commitment des Top-Managements eine entscheidende Rolle gespielt: die Bereitschaft des Vorstands, auch an sich und seiner eigenen Kommunikation zu arbeiten und mit gutem Beispiel voranzugehen. Hier haben wir als Kommunikator:innen gecoacht, beraten und neue Formate entwickelt, mit denen wir mehr Nähe und Austausch zwischen dem Management und den Mitarbeitenden herstellen konnten. Wichtig war, deutlich zu machen: Das mit dem Kulturwandel, das geht jetzt nicht mehr weg, das bleibt.
Du hast eine Zusatzqualifikation als Kommunikationstrainerin und -coachin. Was waren deine wichtigsten Learnings während der Ausbildung und welche Unterschiede gab es gegenüber dem Studium?
Während im Studium der Schwerpunkt eher auf der One-to-Many-Kommunikation lag, ging es in der Fortbildung in erster Linie um die direkte Eins-zu-Eins-Kommunikation. Es gab unter anderem persönliche Coachings rund um Auftreten, Gesprächsführung und Argumentation, aber es wurden auch Fragen behandelt wie z. B. „Wie finde ich heraus, welche Potenziale in meinem Gegenüber stecken?“ oder „Wie kann ich Stärken stärken?“. Davon profitiere ich heute täglich in meiner Tätigkeit im Kulturwandelbereich.
Talking Private
Was ist dein nächstes Reiseziel und warum geht es genau dort hin?
Ich war bereits drei Mal in Island und auch dieses Jahr zieht es mich wieder dorthin. Anfang November findet in Reykjavík immer das Iceland Airwaves Festival statt, ein Musikfestival mit verschiedenen Genres: Indie, Pop, elektronische Musik, ganz gemischt. Ich liebe diese Kombination aus dem Festival, neue Bands kennenzulernen und mich von Location zu Location treiben zu lassen, aber auch die wahnsinnig beeindruckende Natur Islands. Diese Weite, die heißen Quellen im Schnee und die Polarlichter sind wirklich zu jeder Jahreszeit eine Reise wert.
Was hättest du gerne bereits im Studium gewusst?
Ich hätte gerne schon im Studium gewusst, dass es oft einfach auf Lebenserfahrung und die eigene Intuition ankommt, um Situationen richtig einzuschätzen. Manchmal ist es schlicht und ergreifend wichtiger, die eigenen Beobachtungen und Erfahrungen einfließen zu lassen, als dass man genau sagen kann, welches wissenschaftliche Modell dahintersteckt. Und dafür sind vor allem Praxiseinblicke und der Austausch mit anderen sehr wertvoll.
Welchen Geheimtipp in Leipzig kannst du empfehlen?
Gefühlt ist das alles schon so lange her, aber tatsächlich bin ich jetzt noch gerne am Hainer See. Also die Seen um Leipzig sind alle toll, aber wir treffen uns immer noch häufig mit ein paar Leuten am Hainer See.
