"Drei Fragen an ..." mit Marcus Ewald, geschäftsführender Gesellschafter bei Ewald & Rössing

In der Interviewreihe „Drei Fragen an“ des Leipziger Public Relations Studierende e.V. (LPRS) sprechen wir auch dieses Semester mit Persönlichkeiten aus der PR- und Kommunikationsbranche über die neuesten Trends und aktuelle Herausforderungen. Ganz nach dem Motto: Mehr Wissen. Mehr Kennen. Mehr Können.

Wir haben mit Marcus Ewald, geschäftsführender Gesellschafter bei der Beratung Ewald & Rössing, darüber gesprochen, wieso er seinen Kund:innen nicht immer die gesamte Strategie erklärt, wie es kommt, dass er mit Erpresser:innen verhandelt und warum er manche Mandate ablehnt.

 

Wie unterscheidet sich die Krisenkommunikation grundsätzlich zur Arbeit von anderen Kommunikationsagenturen und wie unterscheidet sich Ewald & Rössing von Mitbewerber:innen?
„Es ist eigentlich simpel: Wir machen das Gegenteil von PR.“

Normalerweise gibt es ein Thema, das interessant positioniert werden muss, häufig ein bisschen werblich. Man verkauft mit der PR etwas, das sich von allein nicht verkaufen würde. Bei uns ist das andersherum: Unsere Themen – Krisenthemen – verbreiten sich von allein sehr gut und wir müssen dafür sorgen, dass diese auf einer Sachebene diskutiert werden. Viele Fragen, die sich andere Agenturen stellen müssen, stellen wir uns nie: Statt: „Wie schreibe ich eine Überschrift so, dass sie möglichst viele Medien abschreiben?” fragen wir uns: „Wie schreibe ich die Überschrift so, dass sie den Kern trifft und keine falsche Assoziationen erzeugt?” Das ist eine andere Denkweise.

Außerdem gibt es einen grundsätzlichen systematischen Unterschied: Wenn eine Agentur für größere Unternehmen arbeitet, macht sie vielleicht mehrere Kampagnen und auch die allgemeine Standortkommunikation. Wenn dieselbe Agentur zusätzlich die Krisenkommunikation übernimmt, wird sie versuchen, aus Angst die anderen Etats zu verlieren, keine Risiken einzugehen. Zudem will sie den Personen nicht schaden, die ihr die anderen Aufträge gegeben haben.  

Solche Interessenverstrickungen haben wir bei Ewald & Rössing nicht. Klar sind wir auch mal über einen längeren Zeitraum dabei und kümmern uns um das Issues Management, aber wir haben nie die Hemmung, auch in schwierigen Situationen die Entscheidungen zu treffen, die zwar unangenehm, aber dafür die richtigen sind. Da wir uns seit elf Jahren ausschließlich auf Krisen spezialisieren, haben wir eine gewisse Expertise und Intuition dafür entwickelt. Das fehlt großen Agenturen häufig.

„Ins kalte Wasser geschmissen zu werden, schult die Intuition.“

Die ersten Fragen, wenn jemand anruft, sind zum Beispiel: Gibt es Zeitdruck? Steht die Staatsanwaltschaft vor der Tür? Kündigen die Mitarbeiter:innen? Drohen Personen aus dem Vorstand rechtliche Konsequenzen? Wie viele Stakeholder wenden sich gleichzeitig gegen euch? Welche Gründe haben sie, das nicht zu tun?

Krisenmanagement braucht keine Ja- oder Nein-Sager. Beide sind schädlich. Bei einer Krise ändern sich die Spielregeln, weshalb die Betroffenen der typischen Intuition misstrauen müssen. Was bisher als Wahrheit im System galt, ist in Frage zu stellen. Was uns auszeichnet ist, dass wir diese Denkweise auch in der Firmenkultur leben:

„Wenn ein besseres Argument kommt, ist das halt so. Punkt.“

 

Ihr arbeitet in interdisziplinären Teams und kooperiert mit eurem Netzwerk, in dem nicht nur Kommunikator:innen sind. Wie kommt es zu dieser Zusammenarbeit und warum sind ausgerechnet Forensiker:innen Teil davon?

Je nach Herausforderung arbeiten wir mit verschiedenen Expert:innen zusammen. Das können Anwält:innen für Wirtschaftsstrafrecht oder Medienrecht, aber auch Forensiker:innen und Informatiker:innen sein.

Am besten lässt sich das an Beispielen erklären: Es gab eine Verkehrsorganisation, die ein Problem mit einem internen Netzwerk aus Neonazis hatte und herausfinden wollte, wer Teil dieses Netzwerks war. Da haben sich also Forensiker:innen hingesetzt und die Mitarbeiter:innen interviewt.

„Dafür musste ganz klassisch ermittelt werden – und das nennt man Forensik.“

Außerdem gibt es die IT-Forensik, die zum Einsatz kommt, wenn es Sicherheitslücken gibt, ein System gehackt oder Daten durch Hacker:innen verschlüsselt wurden und gerettet werden müssen. Manchmal kommen bei einem Geschäftsführungswechsel alte Sachverhalte zu Tage – beispielsweise Kartellabsprachen der Vorgänger:innen.. Das könnten wir nun der Staatsanwaltschaft melden, die allerdings häufig alle Computer in Beschlag nehmen muss, um Daten zu sichern. Das führt dazu, dass das Unternehmen nicht mehr arbeiten kann. Stattdessen besteht die Möglichkeit, in Absprache mit den Behörden eine:n zertifizierte:n IT-Forensiker:in zu beauftragen, um die Daten zu sichern. Damit sind sie gerichtsfest, können der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt werden und alle können ihre Rechner behalten.

Manchmal sprechen die IT-Forensiker:innen auch uns an – zum Beispiel, wenn es um Verhandlungen mit Erpresser:innen geht. So einen Fall hatte ich vor zwei Monaten: Eine große IT-Forensik-Firma hat mich dazu beauftragt, mit Ransomware-Erpresser:innen in Belgien über die geforderte Summe und das weitere Vorgehen zu verhandeln.

 

War während der COVID-19-Pandemie mehr Krisenkommunikation für Unternehmen notwendig als vorher? 

Da die Öffentlichkeit derzeit sehr monothematisch aufgestellt ist, haben viele Unternehmen in solchen Zeiten weniger Probleme mit anderen Themen, die sonst sehr wohl Krisen geworden wären. Das konkrete Krisenmanagement hat aber zugenommen.

„Ich habe das Gefühl, dass es da eine Zeitenwende gibt: Das Monothematische wird vielleicht zurück gehen, aber erst, wenn die Politik es hinkriegt, die Zukunft planbar zu gestalten.“

Damit meine ich nicht, dass das Virus besiegt ist, sondern, dass es klare Regeln gibt, was wann passiert. Wie ich das aber im Augenblick sehe, kann das noch ein paar Jahre dauern.

In den letzten 18 Monaten hatten wir Aufträge von mehreren Unternehmen zum Thema Corona. Wir haben den Kund:innen Lösungen präsentiert, die allerdings hoch komplex sein mussten, da waren einige sehr skeptisch. Ich habe dann gesagt, dass ich alles in Gänze erklären könnte, aber, dass ich das für die Kund:in nicht als sinnvoll erachte – also entweder Sie vertrauen mir und machen es so, oder nicht. Das machen Berater:innen normalerweise nicht, aber wenn Vertrauen besteht, funktioniert das häufig sehr gut und die Kund:innen sind dankbar, dass sie sich nicht mit jedem Detail beschäftigen müssen.

Wir hatten die Möglichkeit, jeden Aspekt der Corona-Krise zu verstehen: Wir haben Krankenhäuser, Landkreise, Behörden und Test-, Masken- und Impfstoffhersteller beraten. Außerdem hatten wir eine Globuli-Apotheke als Kundin. Wir haben einen gewissenethisch-moralischen Kodex. Wir würden niemals einem bestehenden Kunden schaden, indem wir einen neuen aufnehmen, da lehnen wir eher Mandate ab. Außerdem will ich nicht das Land beschädigen, in dem ich lebe. Ich will keine Institutionen beraten, die dem Land in Summe schaden – da ist meine persönliche Meinung - sicher kein allgemeiner Goldstandard, aber es ist ja trotzdem gut, eine Haltung zu haben. Bei der Apotheke zum Beispiel habe ich gesagt, dass wir die Kommunikation so machen können, dass die Leute verstehen, dass das ein Versehen war, dass sie gesagt haben, die Globulimischung wirke wie ein Impfstoff, obwohl sie stattdessen bei Impfnebenwirkungen helfen kann. Das war etwas unklar formuliert. Aber ich werde nicht sagen, dass Homöopathie gegen Krankheiten mit pandemischem Ausmaß hilft.

Ob wir Mandate mit dem Thema Corona annehmen, entscheiden wir im Team gemeinsam – dafür haben wir einen internen Bewertungsprozess. Die Globuli-Apotheke war zum Beispiel zwar nur ein kleines Mandat für uns – aber wir wollten nicht, dass es eine große öffentliche Debatte darüber gibt, ob es homöopathische Impfstoffe gibt. Und wer weiß, wie diese Apotheke missverstanden worden wäre, wenn sie keine Beratung gehabt hätte, und welcher Schaden dadurch entstanden wäre.

Grundsätzlich lehnen wir kein Mandat ab, weil wir das Thema nicht wollen. Wir lehnen aber ab, für rechts zu arbeiten. Von gewissen rechtslastigen Parteien wurden wir auch schon öfter und vergeblich angefragt. Nur, wenn das Ziel kein schädliches ist, machen wir das auch. Ich freu mich über jedes Mandat, das unlösbar scheint, aber auch über solche, für die es einfachere Lösungen gibt, denn auch davon lernen wir als Team.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Marcus.

 

Ewald & Rössing freut sich über Berufseinsteiger:innen und Praktikant:innen. Weitere Informationen und Kontaktdaten gibt es hier: https://ewaldroessing.de/karriere/.  

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